"Jeder Mensch aus jedem familiären Stand kann heutzutage studieren!"
- Bullshit -
Wenn mir noch einmal jemand diesen Satz sagt oder ich ihn in irgendeiner Zeitung ect lese, dann geige ich demjenigen oder dem Autor aber meine Meinung!
So gesehen, stamme ich aus der untersten Schicht. Meine Mutter war lange arbeitslos oder gering verdienend (auf Grund von der schwierigen Familiensituation oder Krankheit) und bei meinem Vater sieht es nicht viel besser aus. Ich bin zwar in einer wohlhabenden Pflegefamilie aufgewachsen, aber ich bin nicht adoptiert. Daher gelten vor dem Staat die Regeln der leiblichen Eltern, also das Einkommen ect.
So, nun betrachten wir uns einmal meine Situation:
Es ist mein Fehler, dass ich es irgendwie nicht mitbekommen habe, dass ich den BaföG-Antrag jedes Jahr verlängern lassen muss und dafür einen Folgeantrag schicken. Das Problem an der Sache ist, dass sich das Einkommen meines Vaters im neuen Abrechnungsjahr so drastisch verändert hat, dass ich vermutlich um einiges weniger BaföG bekommen werde - ab September (also bald schon!).
Das heißt ich bekomme weniger Geld, obwohl mein Vater anderweitig verheiratet ist und 3 kleine Kinder zu füttern hat -> mir also keinen Unterhalt zahlen muss. Das ist dem Staat allerdings egal. Der sagt: dein Vater - dein Unterhalt. Ob er es nun zahlt (bzw. zahlen kann/ muss) oder nicht ist dem Staat rille.
Da ich nun weniger Geld zur Verfügung haben werden muss ich auch ausziehen, da ich aber bisweilen noch nicht GENAU weiß wie viel ich letztendlich haben werde, kann ich auch noch nach keiner Wohnung suchen. Problem: 3 Monate Kündigungsschutz und September - ja genau. Das ist schon ZU bald.
Ich habe Kopfschmerzen deshalb und weiß einfach nicht weiter und wie ich in Zukunft leben soll.
So, nun betrachten wir uns einmal die Situation einiger meiner Kommilitonen:
Einige bekommen BaföG (natürlich wengiger als ich) und zusätzlich aber noch Geld von ihren Eltern. Eine Kunstkommilitonin bekommt jeden Monat noch 300 Euro von ihrem Vater zugesteckt. Dann kommt auch noch das Kindergeld dazu und der Nebenjob, wie auch bei mir. Oft bekommen besagte Studenten noch sämtliches Lehrmaterial extra bezahlt, den Führerschein und oft sogar noch ein Auto finanziert.
Ist das nicht total ungerecht? Ich freu mich ja für diese Leute und bin auch nicht neidisch, aber sauer auf den Staat. Warum werden so Fälle wie ich nicht gesondert behandelt und stattdessen über einen Kamm geschert?
Wie mein Psychologiedozent bereits einmal richtig feststellte: "...in diesem Raum hier sitzt sowieso fast jeder mit akademisch ausgebildeten Eltern." -> ca. 300 Leute im Hörsaa
Und jetzt beantwortet mir noch einmal jemand ganz genau die Frage: kann wirklich JEDER studieren, wenn er es will?
Schon allein das Semesterticket kostet alle 6 Monate 145 Euro und der Semesterbeitrag liegt auch nochmal etwa in gleicher Höhe.
Dann kommen noch Dinge wie Miete, Lebensmittel, Nebenkosten, Lehrmaterial, Strom, Internet/Telefon, Handy dazu ... eventuell noch Freizeitaktivitäten. Denn sind wir mal ehrlich: keiner kann nichts tun. Jeder geht mal mit Freunden weg, in den Sportverein oder braucht bestimmte Klamotten oder Ausrüstung für ein Hobby.
Man krächzt so am Existenzminimum herum, baut noch jede Menge Schulden auf (BaföG und Kredit für den Zeitraum, bis Bafög ENDLICH mal da war).
Und ich habe noch nicht einmal die Wohnungsnot erwähnt.
Meine Studentenfreundin aus Hamburg... die Ärmste lebt in einem Rattenloch, bei deren Wohnverhältnissen glaubt mir keiner, dass das eine Wohnung in Deutschland ist. Wir dürfen hier an dieser Stelle nicht vergessen, dass wir in einem der wohlhabendsten Länder der Welt leben.
In ihrer Studenten-WG leben 15 junge Menschen. Ein richtiges Wohnzimmer gibt es nicht, das befindet sich im breiteren Ausbau des langen Flurs. Ausgestattet mit einem alten, stinkenden Cortsofa original aus den 70er Jahren.
Das Gemeinschaftsbad ist unterteilt in zwei Räumen: Toiletten und Duschen. Die Toiletten sehen aus wie an einer Auslandsautobahnraststätte: eine Spülung zum Abziehen am Band, gesplitterte Fließen, kaputte Heizung, kein Klodeckel und die Toilette selbst ist in dieser gelben Farbe, die vermutlich auch so aus den 70er / 80er Jahren stammt. Der Spiegel ist kaputt und es fließt nur kaltes Wasser durch den Wasserhahn in das gelbe Waschbecken, indem ein tiefer Riss ist.
Die Duschen sind nicht viel besser: man kann immerhin die einzelnen Kabinen abschließen. Was hier besonders stört, sind die fehlenden Begrenzungen der Duschen und so kann das fließende (aber immerhin warme) Wasser durch den ganzen Raum schwappen.
Und die privaten Zimmer sind so klein, dass gerade mal ein schmales Bett, ein kleines Regal und ein kleiner Schreibtisch hinein passen. Kleiderschrank ist in Kleinformat schon in der Wand integriert.
Ein großes HOOOCH auf den Deutschen Staat, seine Bürokratie und dessen soziale Struktur!
~
*Ayumi Haneoka*